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NEOZOON
EXCERPT OF HIS STORY 
 
Eröffnung: Freitag, den 22.11.2024, ab 18 Uhr
23.11.2024 - 10.2.2025


 

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In ihrer Einzelausstellung EXCERPT OF HIS STORY setzt das Künstlerinnenkollektiv NEOZOON auf eindringliche Weise gesellschaftliche Machtstrukturen und das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Natur ins Bild. In gewohnt kritischer Bildsprache hinterfragen Neozoon historische Narrative und zeigen auf, wie diese bis heute unser Verständnis von Umwelt und Identität beeinflussen. Die gezeigten Arbeiten, die unterschiedliche Medien von analoger bis hin zu digitaler Collage vereinen, bieten subtile, aber provokante Einblicke in patriarchal geprägte Inszenierungen und deren Folgen für die Natur.

In their solo exhibition EXCERPT OF HIS STORY, the artist collective NEOZOON vividly portrays societal power structures and the complex, ambivalent relationship between humans and nature. Using their characteristically critical visual language, Neozoon challenges historical narratives and reveals how these continue to shape our understanding of environment and identity. The works on display, incorporating diverse media from analog to digital collage, offer subtle yet provocative insights into patriarchally influenced representations and their impact on nature.​

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VOM JÄGER ZUM GEJAGTEN

Während der allgemeine Wohlstand einen bislang nie da gewesenen Lebensstandard für breite Teile westlich-kapitalistischer Gesellschaften mit sich brachte und die Konzentration von Reichtum auf einige wenige ihr historisches Maximum erreicht hat, geht es für viele ums Überleben – nicht nur für den Menschen. Diese für die Spätmoderne charakteristische Gleichzeitigkeit von Überfluss und existenzieller Bedrohung scheint einen vermeintlich genetisch eingeschriebenen Überlebensinstinkt zu aktivieren, den wir glaubten, längst überwunden zu haben. Aktuell scheinen regressive Bilder von Männlichkeit eine erneute Konjunktur zu erleben. Konkurrenzkampf, das Recht des Stärkeren, die auf das nackte Leben reduzierte Existenz – all diese zutiefst auf das männliche Subjekt fokussierten Schlagworte verdichten sich zu einer Erzählung: HIS STORY.

Wie NEOZOON anhand einiger Auszüge dieser Geschichte zeigt, wird diese anthropozentrische und patriarchale Erzählweise oft als naturgegeben aufgefasst. Zudem erhält sie gerade durch eine Projektion auf die natürliche Umwelt ihre Legitimität. Denn auch dieser wird unterstellt, sie beruhe ausschließlich auf Hierarchie und Konkurrenz; was zähle, sei das Fressen und Gefressen-Werden. Damit begegnet uns in der Ausstellung kein naturalisiertes Bild unberührter Wildnis als Pendant zum "zivilisierten" Menschen, der sich selbige untertan macht. Vielmehr handelt es sich um biologistischen Denkmuster der Selbstlegitimierung patriarchaler Zerstörungsfantasien, die NEOZOON in ihren Arbeiten offenlegt.

 

Die Videoarbeit SHAKE SHAKE SHAKE fokussiert einen Ausschnitt der Großwildjagd: die Gepflogenheit, sich stolz mit den erlegten Tieren zu präsentieren, kurz nachdem man sie ihres Lebens beraubte. Dabei verweilt der Film in einem flackernden Moment des Triumphs, dem  Beglückwünschen der Schützen. Die Gleichförmigkeit dieser Handlung, die durch die Aneinanderreihung entsteht, lässt die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des zuvor Geschehenen hervortreten. In der simplen Geste des Handschüttelns verdichten sich Gewaltexzess und sexuelle Potenz der Naturbeherrschung zu einem verstörenden Ritual.

 

Auch der Bilderzyklus CARRÉ greift die Symbolsprache der Jagdkultur auf. Den Hintergrund bilden Hermès Tücher, hochwertige Luxusaccessoires für die traditionsbewusste obere Mittelschicht. Die Abbildungen orientieren sich an naturhistorischen Darstellungen, die eine scheinbar natürliche Ordnung wiedergebend suggerieren, dass das tierliche Leben dem Menschen zur Verfügung stehe. So sind die Motive, die den Reichtum der unberührten Fauna preisen, Ausdruck einer durch den Menschen zum eigenen Erhalt beherrschbaren Welt. Was dabei ausgelassen wird, fügt NEOZOON wieder hinzu, in dem es den Luxusartikel mit Jagdaufnahmen aus dem Internet bedruckt, wodurch die Tücher ihren ursprünglichen Wert einbüßen.

 

NEOZOON übernimmt jedoch keine Anwaltschaft für die erlegten Tiere. In der Ausstellung EXCERPT OF HIS STORY weist kein paternalistischer Moralismus dem Publikum den richtigen Weg raus aus der Geschichte. So bildet das Zentrum der Ausstellung eine gleichnamige 4-Kanal-Videoinstallation, die davon zeugt, inwiefern der Mensch in dem von ihm geschaffenen System selbst zum Gejagten wird. Hier wird die zerstörerische Dynamik von vermeintlich naturgemäßer Ordnung, Besitzansprüchen und männlicher Selbstinszenierung anhand von YouTube-Material von Selfmade-Millionären und historischen Aufnahmen erforscht. Die gezeigten Männer scheinen in einem endlosen Wettkampf gefangen zu sein. Der unbedingte Wille zum Erfolg, bereit Opfer zu erbringen und um jeden Preis zu gewinnen, führt zur Vereinzelung, zum Auseinanderfallen des Subjekts bis hin zur Fragmentierung der Körper. In aller Schonungslosigkeit wirft NEOZOON einen kritischen Blick auf eine Spezies, die sich bis an der Rand des Untergangs gewirtschaftet hat oder gar bereits im freien Fall befindet.

 

VINZENZ DAMM

Kulturwissenschaftler und -theoretiker

 

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FROM HUNTERS TO THE HUNTED

 

While general prosperity has brought an unprecedented standard of living to large parts of Western capitalist societies and the concentration of wealth among a select few has reached its historical peak, survival is a struggle for many – not just for humans. This simultaneous abundance and existential threat, characteristic of late modernity, seems to activate a supposedly genetically ingrained survival instinct that we believed we had long since transcended. Currently, regressive images of masculinity appear to be experiencing a resurgence. Competition, the law of the strongest, existence reduced to bare life – all these deeply male-centered keywords converge into one narrative: HIS STORY.

As NEOZOON shows through excerpts from this story, this anthropocentric and patriarchal narrative is often perceived as a natural given. Moreover, it gains legitimacy precisely through projection onto the natural environment, which is also assumed to be based solely on hierarchy and competition – where only eating or being eaten matters. Thus, the exhibition does not present a naturalized image of untouched wilderness as a counterpart to the "civilized" human who subjugates it. Instead, it addresses the biological thought patterns of self-legitimizing patriarchal fantasies of destruction that NEOZOON reveals in its works.

 

The video SHAKE SHAKE SHAKE focuses on one aspect of big game hunting: the tradition of proudly posing with animals that have just been killed. The film lingers on a flickering moment of triumph, the congratulatory gestures of the hunters. The uniformity of this act, achieved through sequential repetition, highlights the senselessness and cruelty of what has just preceded. In the simple gesture of a handshake, the excess of violence and sexual potency of nature domination condense into a disturbing ritual.

 

The image series CARRÉ also draws on the symbolic language of hunting culture. Its backdrop consists of Hermès scarves, high-quality luxury accessories for the tradition-conscious upper middle class. The images are inspired by natural history illustrations that, by depicting an supposedly natural order, suggest that animal life is at humanity‘s disposal. The motifs, which celebrate the richness of untouched fauna, reflect a world that humans dominate for their own preservation. What these images omit, NEOZOON reinserts by imprinting the luxury items with hunting footage sourced from the internet, thereby stripping the scarves of their original value.

 

However, NEOZOON does not advocate for the hunted animals. In the exhibition EXCERPT OF HIS STORY, no paternalistic moralism shows the audience the right way out of the narrative. At the heart of the exhibition lies a 4-channel video installation of the same name, which demonstrates how humans themselves become the hunted in the system they have created. Here, the destructive dynamics of supposedly natural order, claims of ownership, and male self-staging are explored through YouTube material of self-made millionaires and historical footage. The men depicted seem trapped in an endless competition. The relentless will to succeed, the readiness to make sacrifices, and the determination to win at all costs lead to separation, the disintegration of the self, and even the fragmentation of the body. With unflinching clarity, NEOZOON casts a critical gaze at a species that has driven itself to the edge of collapse – or perhaps is already in free fall.

 

VINZENZ DAMM

cultural scientist and artistic reseacher

 

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NEOZOON ist ein 2009 in Berlin und Paris gegründetes Künstlerinnenkollektiv. Ihre Arbeiten basieren auf dem Prinzip der Collage und untersuchen soziologische Fragen, die sich mit dem Speziesismus im Anthropozän befassen. In ihren Videoarbeiten ist die De- und Remontage von Found-Footage-Material aus virtuellen Welten ein wiederkehrendes Element. Die Arbeiten von NEOZOON wurden unter anderem im Centre Pompidou in Paris, im ZKM Karlsruhe, in den Kunstwerken Berlin gezeigt und liefen auf nationalen und internationalen Filmfestivals in Oberhausen, Rotterdam, Locarno und New York. 

 

NEOZOON is a female art collective founded 2009 in Berlin and Paris. Their work is based on the principle of collage and investigate sociological questions that deal with speciesism in the Anthropocene. In their video films, the de- and remontage of found footage material from virtual worlds is a recurring element. Amongst others NEOZOON´s work was exhibited at Centre Pompidou in Paris, at ZKM Karlsruhe, at Kunstwerken Berlin and has been shown at national and international film festivals in Oberhausen, Rotterdam, Locarno and New York.

 

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Die Ausstellung wird gefördert von der Landeshauptstadt Dresden und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. 

 

The exhibition is sponsored by the state capital Dresden and the Cultural Foundation of the Free State of Saxony. This measure is co-financed by tax funds on the basis of the budget approved by the Saxon State Parliament.

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